Dankbarkeit als Herausforderung
Warum ist das mit dem positiven Denken eigentlich oft so schwierig?
Die Lebensumstände in unserem Land sind im Vergleich zu anderen Breitengraden geradezu paradiesisch. Aber selbst wenn man gerade nicht von einer schweren Krankheit oder großen finanziellen Sorgen betroffen ist, findet unser Gehirn immer wieder Anlass zu Sorge und Unzufriedenheit. Der Fokus liegt schnell auf den Dingen, die nicht funktionieren oder die man nicht besitzt.
Grundsätzlich ist das auch völlig in Ordnung, aber im Schnitt müssten Zufriedenheit und Wertschätzung dem Sudern und Meckern doch zumindest die Waage halten? Dem ist aber nicht so. Das bestätigen auch verschiedene Studien, die man in Wahrheit eigentlich gar nicht braucht. Denn es reicht ein ehrlicher Blick auf sich selbst, das eigene Umfeld und die täglichen Schlagzeilen der Nachrichten.
Eine der Ursachen für diese Verzerrung ist der sogenannte „Negativitätsbias“. Dieser beschreibt die menschliche Tendenz, unerfreuliche Erfahrungen stärker zu gewichten als positive. Oft führt diese Neigung dazu, dass kleine negative Ereignisse die Stimmung stärker beeinflussen als mehrere positive Erlebnisse. Das macht evolutionspsychologisch Sinn: In der Urzeit (und teilweise natürlich auch in der Gegenwart) war das frühzeitige und andauernde Wahrnehmen von Gefahren oft überlebenswichtig.
In weniger gefährlichen Zeiten kann dieser Mechanismus jedoch dazu führen, dass sich negative Erfahrungen unnötig stark in Aufmerksamkeit und Gedächtnis festsetzen und das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen.
Das Lot ins Gleichgewicht bringen
Was wäre die Alternative? Negative Lebensaspekte einfach verdrängen und alles zwanghaft durch die rosarote Brille sehen? Sicher nicht! Lösbare Probleme werden so erst recht nicht angegangen und ein Verleugnen von Schwierigkeiten hat langfristig noch selten jemandem geholfen.
Die gangbare Alternative ist – wie so oft im Leben – eine gute und ehrliche Balance herzustellen. In diesem Fall bedeutet dies, über ein simples Training der Wahrnehmung regelmäßig mehr Gewichte auf die positive Seite der Lebenswaage zu legen. (Die andere Seite braucht in der Regel kein Training, da sind die meisten Menschen – wie bereits erwähnt – von Natur aus sehr begabt.)
Und hier kommt die Dankbarkeit ins Spiel. Dass Dankbarkeit eine bedeutsame Empfindung sein kann, bemerken wir immer wieder im täglichen Arbeiten mit unseren Patienten. Die Dankbarkeit, noch am Leben und wieder selbstständig zu sein, kann vieles an vorangegangenen Strapazen und Negativerlebnissen aufwiegen.
Übung macht den Meister
Doch auch abseits der großen Herausforderungen im Leben kann ein Üben von Dankbarkeit im Alltag helfen, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Verhalten immer wieder in Richtung positiver Lebensaspekte zu lenken.
Ein konkretes Training dazu wäre, jeden Abend drei Dinge aufzuschreiben, für die man dankbar ist. Hier kann es sich um die großen Inhalte des Lebens drehen (wie z.B. die eigenen Kinder), oder um die feinen Kleinigkeiten des Alltags (wie z.B. der Lieblingstee). Es handelt sich also um eine Art Dankbarkeitstagebuch. Dabei ist es hilfreich, nicht nur schnell etwas aufzuschreiben, sondern dem Gefühl der Dankbarkeit auch einigen Minuten bewusst Raum zu geben.
Aller Anfang ist auch bei dieser Übung schwer, aber in der Regel wird man gut in den Dingen, die man regelmäßig wiederholt. Suderanten werden besser darin sich zu beschweren und können sich besonders gut an Negativerlebnisse erinnern. Beim Training von Dankbarkeit lernt man positive Ereignisse deutlicher wahrzunehmen, wodurch diese wiederum auch leichter aus dem Gedächtnis abgerufen werden können.
Fazit: Trauen Sie sich!
Versuchen Sie es! Es tut nicht weh, kostet nichts und hat keine Nebenwirkungen.
Team der Psychologie
Herz-Kreislauf-Zentrum Groß Gerungs

