Klinische Hypnose bei chronischem Schmerz

Schmerz hat eine wichtige Funktion für unsere Gesundheit und Sicherheit: Er bewirkt einerseits, dass wir nach Verletzungen die betroffene Körperregion schonen und somit den Heilungsvorgang fördern sowie Folgeschäden vermeiden. Andererseits lernen wir über Schmerzerfahrungen, dass wir bestimmte Bereiche oder Aktivitäten in Zukunft meiden, um erneutem Schaden vorzubeugen. Schon der Volksmund weiß: „Gebranntes Kind meidet das Feuer.“ Beim chronischen Schmerz hingegen fehlt diese Funktion, er hat sich zu einer eigenständigen Krankheit entwickelt.

Wie kommt es aber ursprünglich vom körperlichen Auslöser zum Schmerzempfinden?

Die Vorgänge rund um die persönliche Schmerzwahrnehmung sind sehr komplex. Bei Verletzungen senden bestimmte Schmerzrezeptoren von der betroffenen Stelle Signale ans Rückenmark, die uns dann unmittelbar auf den wahrgenommenen Schmerz reagieren lassen. Wir ziehen z.B. instinktiv die Hand von der Herdplatte zurück oder halten ein verletztes Bein ruhig, um weiteren Schaden zu vermeiden.  Schmerz hat hier also eine ganz wesentliche Warn- und Schutzfunktion. Gleichzeitig werden auch über das Rückenmark Signale an unser Gehirn gesendet, wo es zu einer bewussten Schmerzwahrnehmung kommt. Der Schmerz wird emotional bewertet („unangenehm“), mit dem Auslöser in Verbindung gebracht („heiße Herdplatte“) und als Erfahrung in Form eines Lernvorgangs gespeichert („Berührung vermeiden“).

Die Schmerzweiterleitung ist aber keine Einbahnstraße. So werden vom Gehirn aus auch Signale an die betroffene Körperstelle gesendet, die die Schmerzrezeptoren bremsen und so die Schmerzwahrnehmung reduzieren bzw. für einen bestimmten Zeitraum sogar unterbrechen können. Das erklärt, wieso es schwerstverletzten Personen im Schockzustand manchmal möglich ist, sich von einer Gefahrenstelle zu entfernen oder sogar kilometerweit zu gehen um Hilfe zu holen.

Wenn die Schmerzsignale aber über eine lange Zeit andauern, sehr intensiv sind oder sich häufig knapp hintereinander wiederholen, dann verändern sich die Schmerzrezeptoren an der betroffenen Stelle durch Lernvorgänge („Konditionierung“): sie werden sensibler und vermehren sich auch. Das bewirkt nun, dass ein geringerer Auslöser bereits starke Schmerzen verursacht. Mit der Zeit passiert es dann, dass die Schmerzrezeptoren sogar Schmerzsignale senden, obwohl der ursprüngliche körperliche Auslöser nicht mehr vorhanden ist. Gleichzeitig wird durch chemische Vorgänge auch die Schmerzhemmung gestört. Die gesteigerte Aktivität der sensibilisierten Nervenzellen und die gestörte Aktivität der hemmenden Rückenmarksneuronen bewirken, dass im Gehirn verstärkte Schmerzsignale ankommen. Und das auch, wenn in der betroffenen Körperregion nur mehr schwache Reize wirken. Es hat sich ein Schmerzgedächtnis entwickelt. Der Schmerz ist nun chronisch geworden.

Laut der „Allianz Chronischer Schmerz Österreich“ sind aktuell 1,5 Millionen Menschen in Österreich von chronischem Schmerz betroffen. Viele davon sind beruflich stark eingeschränkt oder sogar arbeitsunfähig.

Aber auch auf das Privatleben hat chronischer Schmerz eine weitreichende Auswirkung. Da das Gehirn gelernt hat, dass bestimmte Aktivitäten mit Schmerz verbunden sind, werden diese immer mehr gemieden, die Schmerzpatienten ziehen sich stärker zurück. Durch geringe körperliche Aktivität kommt es oft aufgrund von Muskelabbau zu weiteren Beschwerden. Der soziale Rückzug verhindert positive Erfahrungen und glückliche Momente, sodass das körpereigene Belohnungssystem weniger „Glückshormone“ (z.B. Dopamin) ausschüttet und es zu einer allgemeinen depressiven Verstimmung kommt, die wieder zu einer Vermeidung sozialer Kontakte führt - ein Teufelskreis also. Gleichzeitig bekommt der Schmerz immer mehr Aufmerksamkeit, was wiederum zu einer verstärkten Schmerzwahrnehmung führt.

Chronische Schmerzpatienten fühlen sich oft auch nicht ernstgenommen in ihrem Leiden, wenn kein körperlicher Auslöser für ihren Schmerz gefunden werden kann. Manche haben das Gefühl, dass andere sie als Simulanten sehen, was eine weitere massive psychische Belastung bedeutet. Chronischer Schmerz ist keine Einbildung! Bildgebende Verfahren zeigen, dass es bei chronischen Schmerzpatienten sowohl zu einer strukturellen als auch einer funktionellen Veränderung im Gehirn  kommt.

Um zu verhindern, dass Schmerzen chronisch werden, ist es sehr wichtig, dass bei starken und andauernden Schmerzen nicht nur nach der Ursachen gesucht, sondern auch möglichst früh mit einer Schmerztherapie begonnen wird. Diese sollte sowohl eine medikamentöse Behandlung als auch alternative Verfahren (z.B. Entspannungstherapien) enthalten, gleichzeitig sollte die Mobilität soweit wie möglich gefördert werden. Mit diesen Maßnahmen kann die Bildung eines Schmerzgedächtnisses weitgehend verhindert werden.

Ist ein Schmerz chronisch geworden, ist eine komplexe Behandlung unumgänglich, damit das Gehirn langsam umlernen kann. So können spezifische psychologische und verhaltenstherapeutische Schmerztherapien dabei unterstützen, dass die Körperwahrnehmung der Schmerzpatienten wieder positiver wird und  es durch psychische Stabilisierung  zu einer Stimmungsverbesserung kommt. Eine sehr wirkungsvolle und nebenwirkungsfreie Methode in der Therapie von chronischen Schmerzen ist die Klinische Hypnose, die die Patienten dabei unterstützt, Stress und Ängste zu reduzieren und ihre unbewussten Selbstheilungskräfte zu aktivieren.

Mag. Margit Gorgi

 

Foto: iStock

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