Blätter im Bach Meditation

Wir haben Ihnen an dieser Stelle bereits einige Ansätze aus dem Bereich der Achtsamkeit präsentiert. Zu finden Die 5-4-3-2-1 Methode, Eine kurze Atemachtsamkeitsübung und 5-Minuten Atemraum. In meiner alltäglichen Praxis vermittle ich solche Übungen oft, um den Umgang mit Unruhe und Grübeltendenzen zu erleichtern. Es geht bei diesen Zugängen, nie darum die Gedanken oder negativen Gefühle wegzudrängen. Vielmehr besteht das Ziel darin, einen gelassenen Umgang mit ihnen zu erlernen und so zu mehr Ruhe zu finden.

Bei vielen Achtsamkeitsübungen wird man dazu angeleitet, die Aufmerksamkeit auf den Atem oder verschiedene sinnliche Eindrücke zu lenken, während man Gedanken gleichzeitig kommen und gehen lässt. Bei der nun folgenden Übung verhält es sich ein wenig anders. Auch hier sollen ablenkende Gedanken gelassen bemerkt werden. Die Aufmerksamkeit darf aber immer wieder auf die innere Vorstellung von Blättern in einem Bach gerichtet werden. Auf diesen können die Gedanken immer wieder platziert werden, um dann ganz von alleine auf der Wasseroberfläche aus dem Bewusstsein davon zu schwimmen.

Was in den Pausen zwischen den einzelnen Gedanken im Bewusstsein bleibt, ist einfach die Vorstellung des leise dahin plätschernden Baches oder kleinen Flusses. Es handelt sich hierbei also um eine Mischung aus Meditation und Imaginationsübung („Fantasiereise“).

Anleitung zur Durchführung:

Machen Sie es sich auf dem Platz Ihrer Wahl bequem. Nehmen Sie zunächst ein wenig Kontakt mit dem Körper auf. Die Kontaktpunkte des Körpers zum Sessel bzw. zur Unterlage spüren. Lassen Sie sich ruhig einige Momente Zeit um wahrzunehmen wie sich der Körper gerade anfühlt. Angespannte Regionen genauso ruhig spüren und annehmen wie lockere…

Wenden Sie sich dann ein wenig Ihrem Atem zu. Beginnen Sie mit zwei, drei etwas tieferen Atemzügen und geben Sie den Atem dann wieder frei. Verbleiben Sie noch ein wenig bei Ihrer Atmung und bemerken Sie die Empfindungen, die jeder Atemzug im Körper mit sich bringt…

Lassen Sie dann hinter Ihren geschlossenen Augen das Bild eine Baches oder kleinen Flusses entstehen. Sie können sich hier von einem realen – ausschließlich positiv besetzten - Plätzchen inspirieren lassen. Die Vorstellung kann aber auch gänzlich Ihrer Fantasie entspringen. Stellen Sie hier keine hohen Ansprüche an Ihre Vorstellungskraft. Das Bild entsteht so gut es kann, eine Andeutung reicht völlig aus.

So gut es Ihnen nun möglich ist, den kleinen plätschernden Strom betrachten. Einfach nur da sein und dem Wasser zuschauen, in dem Bewusstsein, dass es jetzt nichts zu tun gibt. Lassen Sie jede Anstrengung und jedes Bemühen um Kontrolle fallen.

Ablenkende Gedanken sind kein unerwünschtes Ereignis, sondern fester Bestandteil der Übung. Bemerken Sie die Gedanken zunächst einfach und setzen Sie sie dann auf ein im Bach vorbei schwimmendes Blatt. Dieses Blatt kann einfach auftauchen oder von einem neben dem Bach stehenden Baum in den Bach gleiten und wegschwimmen. Das Blatt trägt den Gedanken dann ganz von alleine auf der Wasseroberfläche aus dem Bewusstsein fort… Was immer wieder bleibt, ist das sanft plätschernde Wasser…

Auch sich wiederholende oder schnell aufeinander folgende Gedanken immer wieder auf ein Blatt setzen und ihnen beim Davongleiten zusehen…

Unter Umständen kann ein Blatt mitsamt dem Gedanken auf seinem Weg hängen bleiben. Wenden Sie in diesem Fall keinerlei Anstrengung an. Erlauben Sie Blatt und Gedanken noch ein wenig im Bild zu verweilen, bis beide ihre Reise von alleine fortsetzen… Manchmal folgt auch einfach der nächste Gedanke, womit der vorherige von alleine verschwindet und der Prozess gänzlich von alleine wieder von vorne und erneut zu fließen beginnt….

Immer wieder die Aufmerksamkeit freundlich Ihrem Bach, Ihrem kleinen Fluss zuwenden,… während die Gedanken, die Ablenkungen Blatt für Blatt vorbeiziehen und sich dann wieder der ruhig fließenden Wasseroberfläche widmen…

Verbleiben Sie bei diesem Ablauf so lange Sie möchten… Verabschieden Sie sich zum Abschluss von Ihrem Platz am Bach... Machen Sie sich wieder Ihren Körper bewusst. Die Kontaktpunkte zum Sessel, zur Unterlage spüren, den Atem für einige Momente beobachten und öffnen Sie dann mit einem etwas tieferen Atemzug die Augen.

Vielleicht können Sie sich ein wenig von der achtsamen Haltung in die folgenden Stunden mitnehmen.

Tipps und Informationen zur Durchführung:

Um sich mit dem inneren Bild eines Baches ein wenig zu behelfen, können Sie im Hintergrund das Plätschern eines Baches abspielen. Ein Beispiel finden Sie hier auf Youtube.

Der Wert der Übung hängt nicht unbedingt davon ab, wieviel gedankenfreie Zeit man dabei verbringt. Wichtig ist gerade zu Beginn vielmehr überhaupt zu bemerken, dass man in Gedanken verhaftet ist und realisiert, dass man sich – wenn auch nur von einem Moment – ohne Anstrengung davon distanzieren kann.

Auftretende Gedanken können sich auch um die Übung selbst drehen: „Ich kann mich heute nicht konzentrieren.“ „Das Bild des Baches verschwimmt immer wieder.“ „Ich bin heute zu unruhig.“ Dies sind alles keine Fakten, sondern einfach nur bewertende Gedanken und können deswegen genauso auf einem Blatt landen, ohne ihnen eine große Bedeutung zuschreiben zu müssen.

Trotz des eigentlich einfachen Grundprinzips, handelt es sich nicht unbedingt um eine leichte Übung. Sich ein Bild vorzustellen und gleichzeitig achtsam für die eigenen Gedanken zu sein, kann durchaus herausfordernd sein. Seien Sie am Anfang geduldig mit sich – Übung macht den Meister.

Mag. Andreas Fuka, Klinischer- und Gesundheitspsychologe

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